Europa ohne Facebook – Was steckt wirklich hinter der Drohung?

Mal wieder eine Schlagzeile aus dem Meta-Universum: Der Zuckerberg-Konzern warnt in einem Bericht an die amerikanische  Börsenaufsicht SEC davor, dass, wenn die EU dem Social-Media-Konzern nicht erlauben würde, Nutzerdaten auch weiterhin in die USA zu transferieren, könnte der Konzern seine Services womöglich nicht mehr, wie gewohnt, bereitstellen.

“Wenn wir nicht in der Lage sind, Daten zwischen Ländern und Regionen, in denen wir tätig sind, zu übertragen, oder, wenn wir daran gehindert sind, Daten zwischen unseren Produkten und Dienstleistungen auszutauschen, könnte dies unsere Fähigkeit zur Bereitstellung unserer Dienstleistungen und die Art und Weise, wie wir unsere Dienstleistungen erbringen oder unsere Fähigkeiten, Anzeigen gezielt auszurichten, beeinträchtigen.”

Daraus wurde dann schnell die Schlagzeile: “Facebook droht, sich aus Europa zurückzuziehen!” 

Für manche wäre das wohl ein Grund die Champagnerkorken knallen zu lassen, für viele kleine Internet-Unternehmen aber, die ihr komplettes Marketing über Facebook und/oder Instagram abwickeln, eine existenzbedrohende Katastrophe.

Aber mal ganz (entspannt und) ehrlich:

Würde Meta mit Facebook, Whatsapp und Instagram tatsächlich Europa verlassen?

Hier einmal eine weiterer Bericht, der nicht nur Schlagzeilen auslöste, sondern gleich einen kapitalen Börsencrash bei dem sich viele Milliarden Dollar über Nacht wortwörtlich in Luft auflösten.

Vielleicht haben Sie es ja mitbekommen: Am 03.02. hat die Meta-Aktie an nur einem einzigen Börsentag mal eben glatte 26 Prozent ihres Werts eingebüßt. In Dollar waren das satte 251 Milliarden!

Der Grund waren die Quartalszahlen für das vierte Quartal 2021, die Mark Zuckerberg am Tag zuvor verkündet hatte:

  • Umsatz: 337 Milliarden Dollar (+20 Prozent)
  • Gewinn: 10,3 Milliarden Dollar (-8 Prozent)

Der wahre Panikmacher aber waren die Nutzerzahlen!

Zum ersten Mal überhaupt ist die Zahl der täglichen Facebook-Nutzer gesunken. Von 1,930 Milliarden im dritten Quartal auf nur noch 1,929 Milliarden im vierten Quartal. Ja, Sie rechnen richtig! Das ist ein Rückgang von nur 1 Million Nutzer. Das sind läppische 0,05 Prozent! 

Wenn schon eine einzige Million solche Auswirkungen hat: Was würde wohl passieren, wenn Facebook auf einen Schlag 427 Millionen Nutzer verlieren würde? Denn genau so viel Menschen in Europa haben Facebook und Co. im vierten Quartal 2021 täglich genutzt.

O.K. Der erstmaligen Rückgang der Nutzerzahlen war nicht allein der Grund für den massiven Kurscrash. Eine wichtige Rolle spielte auch die Tatsache, dass Meta es bisher nicht geschafft hat, TikTok bei den jüngeren Zielgruppen echte Konkurrenz zu machen. Das ist mittel- bis langfristig tatsächlich ein echter Grund zur Sorge. Wäre es deshalb eine gute Idee, TikTok den europäischen Markt einfach kampflos zu überlassen?

Sie merken selbst, die Drohung Europa zu verlassen ist nichts als ein billiger Taschenspielertrick um Panik unter den (kleinen) Werbekunden zu verbreiten, die ihr Geschäft hauptsächlich über Facebook und Instagram betreiben und deren Angst und Empörung zu nutzen um Druck auf die aktuellen Verhandlungen mit der EU zu machen, den Datenschutz im Sinne von Meta zu lockern.

Des Pudels Kern

Das eigentliche Problem hier sind aber gar nicht die europäischen Datenschutzverordnungen. Damit können wir hier in Europa ja auch alle leben und unser Geschäft betreiben. Das wahre Problem ist die Forderung von Meta auch zukünftig Daten aus Europa in die USA transferieren zu dürfen. Der Europäische Gerichtshof hat dies in seinem Urteil vom 16.07.2020 für ungültig erklärt, weil in der USA Unternehmen dazu verpflichtet sind, alle ihre Nutzerdaten Behörden wie der NSA oder dem FBI zur Verfügung zu stellen. Das verstoße aber grundsätzlich gegen europäisches Recht, weil so der Rechtsschutz von EU-Bürgern nicht gewährleistet werden kann.

Das Ganze betrifft übrigens nicht nur Facebook und Instagram. Auch Google mit seinem Analytics und alle anderen amerikanischen Anbieter, die Daten von EU-Bürgern in die USA transferieren, sind betroffen. Die USA und die EU verhandeln aktuell über eine Lösung des Problems.

Des Pudels Kern liegt aber noch woanders: Würde Meta seine Daten explizit nur in der EU verarbeiten, müssten sie sich an die DSGVO halten und dürften nicht grundlos und willkürlich persönliche Daten zwischen ihren vielen (Unter)-Firmen austauschen, denn zu Meta gehören nicht nur Facebook, Instagram und Whatsapp. Das würde natürlich Auswirkungen auf die Schärfe der Nutzerprofile, somit die Zielgenauigkeit der Anzeigen und letztendlich den Gewinn des Unternehmens haben. Es geht um Kohle!

Was muss jetzt passieren? Es müssten entweder die USA oder die EU ihre Datenschutzgesetze ändern. Die USA werden wahrscheinlich einen Teufel tun und sich die Möglichkeit nehmen lassen unbescholtene Bürger auszuspionieren und die EU kommt nicht so einfach an ihrer DSGVO vorbei, wonach die persönlichen Daten von uns EU-Bürgern nicht mal eben an jeden windigen Geheimdienst rausgerückt werden dürfen. Meta selbst hat auch ein großes (finanzielles) Interesse daran, die Daten weiterhin in die USA zu transferieren. Ausgang also noch völlig offen!

Inzwischen ist auch Meta wieder zurückgerudert. Man hätte nie die Absicht gehabt Europa zu verlassen aber man müsste den Aktionären jedes mögliche Risiko offenlegen. (Auch, wenn es noch so abwegig ist. Siehe oben!)

Na ja, für genug Aufregung  hat es ja immerhin gesorgt.

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